Therapeutische Arbeit mit Märchen – eine Methodenvielfalt für die Praxis

Märchen finden sich in allen Kulturen. Sie sind Ausdruck symbolischer Verdichtungen kultureller Weisheit und erzählerischer Weitergabe von relevantem Lebenswissens in der jeweiligen Kultur. Dabei sind sie immer auch zugleich Ausdruck eines persönlichen Schöpfungsprozesses der MärchenerfinderIn oder der MärchenerzählerIn, die/der einen überkommenen Text doch in seiner/ihrer ganz persönlichen Form an die ZuhörerInnen weitergibt.
In der Psychotherapie der verschiedensten Richtungen hat man mit Märchen gearbeitet, denn sie sprechen offenbar Menschen an. Man hat dabei auch unterschiedliche Erfahrungen gemacht und Erkenntnisse gewonnen, die es lohnt zu nutzen und weiterzugeben. Im Integrativen Ansatz wird mit Märchen seit den 1970er Jahren gearbeitet – mit Kindern, Jugendlichen, alten Menschen. Märchenarbeit wurde mit Gestaltmethoden, tiefenpsychologische Konzepten, Masken- und Drama-, Poesietherapie verbunden.
In diesem Kompaktcurriculum sollen diese Erfahrungen von TherapeutInnen praxisnah vermittelt werden, die mit dem Medium Märchen über lange Jahre gearbeitet haben und ihre Heilkraft und Weisheit nutzen konnten

Märchen einer meiner höchsten Anliegen

Das Geheimnis der Märchen 

 

Märchen entführen uns nicht nur in eine längst vergangene Welt, in jedem Märchen ist ein Geheimnis verborgen: Das Wissen darüber, wie die Strukturen dieser Welt geordnet sind. 

Nach außen erzählen uns Märchen Geschichten, die heute zu Recht als veraltet oder grausam erscheinen mögen. Dahinter jedoch, in den Tiefen symbolischer Bedeutung liegt ihr wahrer Schatz. Kinder erfassen intuitiv den hohen Wert dieses Schatzes; sie können von manchen Märchen nicht genug kriegen. Sie ahnen, in welch wunderbares Leben sie geboren sind und dass trotz allem, ob Kummer, Entbehrungen, Scheidung der Eltern oder Tod, das Leben einen Weg bereithält, der sie glücklich und zufrieden machen kann.

 

 

Die Symbolik der Märchen

 

Märchen wurden über Jahrhunderte erzählt, um wichtiges intuitives Wissen über den Menschen an die nächste Generation weiterzugeben. Sie waren nicht dazu gedacht, wie viele heute meinen, Kinder mit lustigen oder gruseligen Geschichten zu unterhalten. Sondern der Erzähler hatte meist ein tiefes intuitives Wissen über den Menschen und hat dieses Wissen in Bilder und Geschichten übersetzt und so weiter gegeben. Die Märchen sind also die Träger einer Botschaft, die sich in ihnen verbirgt, die über die Stimme, ihren Klang, ihre Färbung und die Absicht des wissenden Erzählers von seinen Zuhörern verstanden wird. 

Die herausragende Leistung der Brüder Grimm ist es, die verborgenen Botschaften der Märchen, die früher nur von Mund zu Ohr weitergegeben werden konnten, so in den Texten zu verstecken, dass sie unabhängig vom Erzähler entdeckt und verstanden werden können. Als Versteck dienten den Grimms  Symbole, die symbolische Bedeutung der Zahlen und viele unauffällige kleine Hinweise. Wer ihre Märchen aufmerksam liest kann sich über diesen Schlüssel die Bedeutung des Textes erschließen.

Zum Beispiel taucht der Name „Dornröschen“ das erste Mal auf, wenn das Märchen bereits über die Hälfte erzählt ist. Vorher wird vom Königskind, von der Tochter oder dem Mädchen gesprochen. Der Name "Dornröschen" wird genau an der Stelle genannt, wo es uns - zwischen den Zeilen - darauf hinweisen will, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt die Frau aktiv in Erscheinung treten muss. Das Märchen erklärt uns verschlüsselt, warum dies wichtig ist, denn nur so kann eine Frau ihre weibliche Entwicklung in die richtigen Bahnen lenken und glücklich werden.

Ein weiteres Beispiel, wie sich Informationen in Symbolen verstecken können ist der Turm, von dem im Märchen Dornröschen erzählt wird. In einem Turm findet die Königstochter die Spindel. Der Turm deutet auf einen dualen Charakter. Er weist sowohl in Richtung Himmel, in einen göttlichen Bereich, aber auch in Richtung Hölle. Verbrecher wurden in den Turm geworfen. Der Turm vereint eine helle und eine dunkle Seite. Mit diesem Symbol will uns Dornröschen auf den dualen Charakter der Weiblichkeit hinweisen. 

Auch in Dornröschen fällt die Zahl 15 auf. Mit 15 Jahren findet die Königstochter oben im Turm die Spindel. Die 15. Spielkarte im Tarot ist untertitelt mit "Der Teufel". Sie symbolisiert einen unbewussten dunklen Bereich der Psyche. Aus diesen Hinweisen können wir vorsichtige Vermutungen anstellen. Wahrscheinlich steckt in dieser Symbolik der Hinweis, dass weibliche Entwicklung tief unbewusst beginnt und sich auf irgendeine Weise in helle bewusste Bereiche vorarbeitet. Erst wenn wir noch andere Hinweise des Märchens hinzuziehen bekommen wir eine Ahnung von der Botschaft des Märchens, die immer deutlicher bishin zu einer Gewissheit werden kann.

Auf diese Weise können wir über die vielen versteckten kleinen Hinweise, über Symbole und Zahlen auf das Wissen in den Märchen aufmerksam werden. Wer es wieder entdeckt hat, wird die Märchen anders erzählen. Dann steht nicht so sehr die Handlung im Vordergrund. Ob Hexen verbrannt oder Kinder gefressen werden verliert an Bedeutung. Wichtig wird die eigentliche Botschaft, die als Ihr Wesen hinter der Handlung steht. Scheint dies Wesentliche beim Erzählen durch, so wird das Märchen geheimnisvoll und faszinierend und wir können gar nicht genug davon hören, denn über das Wesentliche im Märchen kommen wir in Kontakt mit dem, was den Menschen im tiefsten Inneren ausmacht, mit dem Wesen in uns. 

 

geschrieben von Elfie Horak und Judith Tobias, Inhaberinnen des Projekt der Charles Hosie-Stiftung - Text kopiert oder abgeschrieben....http://www.maerchenapfel.de/home.html

 

Heilung durch Märchen von Felix von Bonin

....man kann Märchen nicht deuten, so wie mann auch Symbole nicht deuten kann. Wer deutet, deutet auch immer sich selbst hinein. Wer im Schamanismus wurzelt, wird schamanische Elemente in Märchen wiederfinden.

Wer sich mit Alchemie befasst, wird alchimische Elemente in Märchen wiederfinden. Wer sich mit Einweihungsmythen auskennt, wird mythische Elemente in Märchen wiederfinden.

....das Deutungsgewebe von Märchen ist unendlich vielschichtig. Je mehr man hineinschaut desto mehr entdeckt man. Und dazu sind Märchen ja gedacht, dass man hineinschaut und sich darin entdeckt.

....genießen kann man Märchen wie einen guten Wein. Und wie der Weinkenner auf Geschmacksnoten und Feinheiten aufmerksam machen kann, so kann der Märchenkenner ein Märchen entfalten, um seinen Reichtum leichter zugänglich zu machen.

....Märchen bergen einen großen Schatz, der nicht von dieser Welt ist. Sie können diesen Schatz für sich heben, das ist nicht ganz leicht. Wenn sie sieben Jahren den Erdmännchen dienen, Speisen und Trank der alten Frau nicht anrühren und den verlorenen Weg zu gehen finden, ein weißes Vögelchen ein gläsernes Schlüsselchen in den Schoss fallen lassen.Sie wissen doch schon,in welches Schloss dieser Zauberschlüssel passt....

Märchen? Wozu! von Felix von Bonin

Können wir auf Märchen verzichten ? Märchen geraten in unserer Zeit immer mehr in die Bedeutungslosigkeit.

Einzelne Märchen sind noch sprichwörtlich bekannt, aber ihre wahre Bedeutung und die seelische Botschaft, die sie uns zuraunen wollen, wird überhört, missachtet, verkannt. Es sind ja "nur" Märchen.

Kinder Werden überhäuft mit lustigen bunten Büchlein und Hörspielkassetten. Märchen sind selten dabei und wenn, dann sind sie fragwürdig inszeniert oder gar verballhornt. Es sind ja "nur" Märchen.

Selbst Erzieher und Pädagogen habe den Blick verloren für den hohen Stellenwert,den Märchen in der Reifung der kindlichen Seele einnehmen und für das Heilungspotenzial für die unvermeidlichen Erschütterungen auf dem Weg der Reifung. Märchen werden da auch schon mal als konstruktive Phantasien abgekanzelt.

So verschwinden die Märchen Generation um Generation aus unserer Kultur bzw. dem was davon verblieben ist.

Märchen sind ein Teil davon. Immer mehr Kinder aber kommen mit dem Stoff nicht mehr in Berührung.

Dürfen wir unsere Kinder Märchen vorenthalten ?

Können wir wirklich auf ihre Mithilfe verzichten ?

Aber natürlich können wir !

Wir können schließlich auf alle verzichten und tun das ja auch im Namen des Fortschritts. Aber auf gesunde Nahrung können wir doch wohl nicht verzichten. Wieso? Die überwiegende Mehrheit der modernen, zivilisierten Menschen tut das heute ganz fortschrittlich längst - auch wenn es ihnen vielleicht nicht bewusst ist, weil sie nicht wirklich darüber nachdenken, wenn sie die Folien und Papierschachteln aufreißen und in der Mikrowelle aufheizen.

Auch weniger gesundes Essen macht schließlich satt. Und die biologischen Folgen sind so, so schleichend , zeigen sich meist erst nach Jahren und Jahrzehnten. Und dann werden sie oft nicht erkannt weil die Mehrheit betroffen ist und es deshalb als "normal" betrachtet wird. Im gleichen Sinne können wir natürlich auch auf Märchen verzichten, unseren Kindern Märchen vorenthalten und sie mit "Fertignahrung" abzufüttern. Auch die seelischen Mangelerscheinungen werden nicht gleich sichtbar.Und später beim Erwachsenen muss man mit tiefenpsychologischem Aufwand graben, um das verängstigte schluchzende innere Kind aus dem Betonblock heraus zu meißeln, in den es zwecks Ruhigstellung gegossen wurde: ein nützliches Mitglied der Gesellschaft.

Wem zum Nutzen?

Märchen haben die Energie, diesen Block zu zersetzen.

Werden sie deshalb heute gemieden?

Märchen heilen von Felix von Bonin

Auf der organischen Ebene ist es unmöglich,auch nur einen Entwicklungsschritt auszulassen. Deswegen durchläuft der Fötus alle Stadien der biologischen Genese, vom Einzeller über die Amphibien bis zum Homo sapiens. Kommt es dabei zu Störungen, sind Missbildungen die Folge. 

Auf der seelischen Ebene ist das nicht anders, nur dass die "Missbildungen" nicht so augenscheinlich sind. In der Entwicklung des Bewusstseins der Menschheit hat es eine Zeit gegeben, wo die Trennung von Subjekt und Objekt, von ICH und NICHT-ICH, noch nicht vollzogen war. Diese Zeit bezeichnen wir als archaisch

Der archaische Mensch steht auf der Schwelle dieser Bewusstseinswerdung:

ICH. Schmerzhaft ist dieser Schritt, denn er bedeutet ein Herausfallen aus der natur-mütterlichen Geborgenheit, er bedeutet dei unerträgliche  Entsagung, nach der Entdeckung des Egos und der eitlen Freude daran fortzuschreiten zum Alter ego und zum All-Ego. Jedes KInd muss in seiner seelischen Entwicklung über die Schwelle gehen. Die wunderbare Symbiose mit der Mutter zerbricht, Zerplatzt wie eine Fruchtblase. Plötzlich sind Püppchen keine Kinder mehr sondern ausgestopfte Stoffsäckchen; aus Bauklötzen entstehen keine Burgern und Hochhäuser mehr, sondern nur noch Holzhaufen.Dort eine widerstrebende, feindliche Welt - ich hier , so klein.

Genau an dieser stelle siedeln die Märchen, raunen Richtung und Rat.

Märchen machen Mut, hinaus zu gehen in diese in Scherben zerfallene Welt und die verlorene Einheit des Selbst wiederherzustellen, dass heißt seelisch zu wachsen: nach diesem schweren Gang beide Sphären zu beherrschen, die Einheit und die Zweiheit (Dualität). Wie viele Erwachsene kennen sie, die mit der Kindheit die Einheit nicht für immer verloren haben und nicht in der ewigen Spaltung, der Polarisierung der Objektwelt "versteinert" sind?

Märchen leuchten auf diesem geheimnisvollen Weg zwischen den Welten. Darin liegt ihre heilende Kraft.

Märchen machen Mut weil sie die Wirklichkeit hinter der Realität ahnen lassen, zeigen - und weil sie die gewöhnlichen zwischenmenschlichen Konflikte, die wir alle kennen und von denen wir viele an eigener Seele durchleiden, als Kind durchschnitten haben, nicht nur symbolisch inszeniert, sondern auch archetypische Lösungswege aufzeigen.

Dass das so ist,lässt sich auf einem Märchenseminar leicht vermitteln. Selbst Menschen, die bislang nicht oder kaum mit Märchen in Berührung gekommen sind, werden von den starken Bildsymbolen tief in ihrem Innersten berührt und ihr inneres Kind bricht sein Schweigen, erzählt von seinen Verletzungen und Enttäuschungen, seine Hoffnungen, atmet tief durch.